Vortrag über demokratischen Konföderalismus
Am Mittwochabend haben wir gemeinsam mit der die Initiative Defend Kurdistan zu einem Vortrag über den „Demokratischen Konföderalismus als Lösungsperspektive im Nahen Osten“ eingeladen.
Theoretischer Exkurs
Der Abend bot ausführliche Einblicke in die Theorien Abdullah Öcalans. Der Schwerpunkt lag auf den von ihm geprägten Begriffen wie „Demokratischer Konföderalismus“. Zusätzlich wurden seine Erläuterungen zum „Dritten Weltkrieg“ diskutiert, einem Begriff, mit dem Öcalan die Bemühungen kapitalistischer Akteure beschreibt, ihre Positionen in verschiedenen Auseinandersetzungen zu verteidigen. Laut Öcalan sei dieser neue Weltkrieg eine Art Überbau, unter dessen Dach sich die heutigen Krisenherde entladen, während gleichzeitig Verbindungen zwischen allen bestehen. Die zahlreichen Konflikte müssten als unvermeidliches Ergebnis kapitalistischer Prozesse begriffen werden, was den Entwurf von Alternativkonzepten notwendig macht.
Status quo oder Revision?
Ali Firat ging weiter auf die Rolle des Nationalstaats in Öcalans Denken ein. Die Frage, ob dieses Modell beibehalten oder einer Revision unterzogen werden sollte, taucht in diesem Kontext immer wieder auf. Öcalan zufolge muss der Nationalstaat überwunden werden. Er gehöre zweifellos zu den Faktoren, die den „Dritten Weltkrieg“ begünstigen. Detailliert wurden Merkmale wie langwierige Kriegsführung niedriger Intensität, flexible Bündnisse und Wirtschaftskriege aufgelistet. Das Erscheinen neuer Akteure wie die BRICS-Staaten trägt zur Unübersichtlichkeit der globalen Lage bei.
Nationalstaat und Konflikte im Nahen Osten
Im letzten Teil des Vortrags erklärte Firat die Situation im Nahen Osten anhand wirtschaftlicher und geostrategischer Aspekte sowie ihrer konkreten Auswirkungen in der Praxis. Diese Region spielt bei Öcalan aufgrund ihrer schwierigen Geschichte und aktuellen Situation eine zentrale Rolle. Hier hat der ethnienfokussierte Nationalstaat seine zerstörerische Wirkung durch die Negation der multikulturellen Gegebenheiten vor Ort am stärksten entfaltet. Hier wird das Selbstbestimmungsrecht der Völker, insbesondere am Beispiel Kurdistans, am heftigsten verweigert und Demokratisierungsbestrebungen werden blutig bekämpft. Vier Ereignisse und Phasen haben die jüngere Geschichte des Raumes geprägt: der Golfkrieg, die Kriege in Afghanistan und im Irak, der „Arabische Frühling“ sowie anhaltende Konflikte um neue Energiekorridore mit China und Indien als neuen großen Mitspielern. Die momentane Situation ergibt eine komplexe Gemengelage aus internationalen Akteuren mit Drang zum Neoliberalismus, regionalen Mächten, die auf dem derzeitigen Status beharren, sowie gesellschaftlichen Kräften, die das Demokratisierungsprojekt mittels Reformen angehen wollen.
Kurdistan als Triebfeder einer neuen Lösung?
Laut Öcalan soll die Abkehr vom Nationalstaat von Kurdistan aus vorangetrieben werden. Dies soll über den Aufbau demokratischer Strukturen „von unten“ erfolgen, die in autonomen Verhältnissen münden. Junge Menschen, besonders Frauen, käme eine Pionierrolle bei der Organisation eigener Gesellschaften zu. Insbesondere Rojava könne als Vorzeigemodell für den „dritten Weg“ zwischen repressivem Staat und reaktionärer Opposition dienen, so Firat am Ende seiner Präsentation.
Im Anschluss an den Vortrag erfolgten eine Fragerunde und Diskussion.